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Geschichten aus Steinschönau by Harry Palme (Mahl)
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Geschichten aus Steinschönau
(Stories on Steinschönau)
by Harry Palme (-Mahl)
Under progress. To be translated
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Geschichten
aus Steinschönau
von Harry Palme (-Mahl)
Kurzbeschreibung
1945/46 wurden die Sudetendeutschen 'ausgesiedelt'; ausgenommen waren Spezialisten.
Lusterfabrikant Harry Palme musste in dem nordboehmischen Glasindustriestaedtchen Steinschoenau die neue, tschechische, Belegschaft einarbeiten. Abends zeichnete er auf, was sich seit etwa 1820 in seinem Heimatort zugetragen hatte. Er charakterisierte die feinen und kleinen Leute des Glasmachermilieus und dokumentierte so eine Kultur, die mit den letzten Deutschen Steinschoenaus ausstirbt.
Seine Geschichten zeigen, dass man damals, obwohl alle aufeinander angewiesen waren, miteinander nicht zart umging, um mit ueberbordender Phantasie Farbe in den harten Arbeitsalltags zu bringen.
E i n f ü h r u n g
Es bildet einen eigenen Reiz, alle die
Menschen, welche in den vergangenen Tagen ihre ganze Kraft unserer so schönen
Glasindustrie gewidmet haben, auch einmal in ihrer Losgelöstheit vom Berufe, in
ihrer Fröhlichkeit, ja, in ihrer Mutwilligkeit zu belauschen. Gerade diese
Einblicke ergänzen erst unser Verständnis ihres Charakters. Ihre
Schlagfertigkeit und ihr natürlicher Mutterwitz zeugen von ihrer raschen
Denkungsart. Das bei der Steinschönauer Bevölkerung so beliebte „Veratzen“
(Verpopeln) ihrer Mitmenschen, das selbst in den schärfsten Formen meist nicht
abstoßend wirkte und fast immer auf deren offensichtliche Schwächen zielte, lässt
ihre rasche Auffassungsgabe erkennen. Wenn Hänseleien manchmal auch recht
brutale Formen annehmen konnten, muss dabei immer berücksichtigt werden, dass
der jeweilige Bildungsgrad und die vom Alkohol gelöste Stimmung zwar deren
Gewand etwas rauh erscheinen lassen, aber der Wille, die Gesellschaft zu
unterhalten und eine Entspannung von den so schweren Tagesgeschäften
herbeizuführen,
dabei vorherrschte. Der Mann, welchem in fröhlicher Runde mit raschem Sinne
manch ein Schabernack und Hänseleien einfallen, wird auch in seinem ernsten
Berufe seine Pflicht rasch erfassen und eine zielbewusste Arbeit leisten.
Wenn ich auf den nachfolgenden Seiten eine
Reihe von Begebenheiten und Geschehnissen berichte, die sich tatsächlich in
Steinschönau abgespielt haben, so hoffe ich, durch die Beleuchtung der fröhlichen
und sorglosen Seite des Lebens unserer Vorfahren eine fällige Dankesschuld
abzutragen, da wir ihnen ja verdanken,
dass durch ihre ersprießliche Arbeitsleistung unsere Glasindustrie all die
verflossenen Tage trotz Krisen und schlechten Zeiten immer all jene Kräfte
entwickelte, sich auf der Höhe ihres Weltruhms zu erhalten.
Beim besinnlichen Durchstudieren der
nachfolgenden Berichte wird vor allen Dingen als sehr sympathisch und angenehm
auffallen, dass es in Steinschönau nie einen „Kastengeist“ gegeben hat,
sondern, dass sich Arbeiter, Beamte*
und Unternehmer auch in ihren Mußestunden brüderlich an einem Tische
versammelten und ohne jeden Standesdünkel ihre Scherze miteinander trieben. Es
sei hier bemerkt, dass den Steinschönauern immer schon ein loses Mundwerk eigen
war, welches in der ganzen Umgebung gefürchtet wurde. Besonders in jenen Orten,
welche sich nicht mit dem Glase beschäftigten, hatten die Menschen eine nicht
so beschwingte und leicht-fassende Denkungsart wie die Steinschönauer
Bevölkerung,
welche zufolge ihrer Industrie weit mehr mit der Welt in Berührung kam als jene
anderer Orte.
Dass dieses Büchlein mitunter kein
Lesestoff für Damen und Halbwüchsige sein kann, wird begreiflich erscheinen,
weil ich ja als treuer Chronist auch recht verfängliche Begebenheiten
ungeschminkt wiederzugeben hatte.
Es muss daneben sehr angenehm berühren,
wenn der geneigte Leser zum Beispiele aus den Geschehnissen, an welchen der
damals sehr wichtige und weltbekannte Glasraffineur Sebastian Weidlich beteiligt
war, erfährt, dass dieser Mann
einerseits mit seiner Kundschaft in der elegantesten Weise zu verkehren verstand,
andrerseits in seinem Freundeskreise nie als einer erschien, dem man nachsagen hätte
können, er sei etwas Besseres als seinesgleichen. Da dieses freundschaftliche
Zusammengehörigkeitsgefühl sich auch im beruflichen Leben auswirkte und
gepflogen wurde, erscheint es begreiflich, dass die gemeinsame Lebensarbeit
dieser Männer, die auf Freundschaft und Verständnis aufgebaut war, sich
ersprießlich auf den Erfolg des ganze Ortes auswirken musste.
Ferner gilt: Der Steinschönauer kann ohne
seinen Dialekt nicht voll verstanden werden. Es wäre unmöglich, seine Mentalität
zu erfassen, wenn man ihn in der Schriftsprache reden ließe. Gerade der Dialekt
von Steinschönau und seiner Umgebung bildet fast eine gesonderte Sprache.
Pointen des Ausdruckes, welche im Dialekt mit wenigen Worten treffend zugespitzt
werden können, verblassen zur Nichtigkeit, wenn man sie ins Hochdeutsche übersetzen
würde. Die meisten der oft sehr kräftigen Ausdrücke, welche den
Uneingeweihten oft abschrecken, weil sie ihm als unanständig erscheinen, sind
im Dialekte meist eine Selbstverständlichkeit von absoluter begrifflicher
Harmlosigkeit.
Möge der Inhalt der nachfolgenden Seiten
allen, die nun fern von ihrer geliebten Heimat ihre Tage verbringen müssen,
etwas „Schinner Luft“ um die Nase wehen lassen und ihre Gedanken zurückführen
in jene Tage, in welchen es ihnen noch möglich war, in gemeinsamer,
zielbewusster Arbeit an dem Erbe unserer Väter segensreich weiter zu schaffen.
Parchen bei Steinschönau im Spätherbst
1951 H.
Palme
Anmerkung der Herausgeber: Harry Palme
begann Ende 1951 mit der Sammlung und Abfassung der folgenden Geschichten, um über
den Tod seiner Frau hinweg zu kommen. Da er annahm, dass die tschechischen Behörden
seine Post zensieren, versah er die Durchschläge mit einem Zeichencode, bevor
er sie in willkürlicher Reihenfolge als Einwickelmaterial an seine Tochter nach
Ebersbach/Sachsen sandte. Mit deren Über-siedlung gelangte das Material später
in die BRD.
„Beamte“* - meint vor allem die Firmenangestellten
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